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19.12.2025

Presserecht

Klagen gegen Correctiv-Berichterstattung "Geheimplan gegen Deutschland" abgewiesen

"Correctiv" gewinnt Prozess um Potsdamer Geheimtreffen

Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg hat mit zwei Urteilen die Klagen von Ulrich Vosgerau (Az.: 324 O 6/25) und Gernot Mörig (324 O 7/25), die die Correctiv-Berichterstattung "Geheimplan gegen Deutschland" betreffen, abgewiesen.

Vosgerau und Mörig wenden sich im Klagewege gegen Correctiv und fünf weitere Beklagte, die bei Correctiv tätig sind und an dem streitgegenständlichen Artikel mitgewirkt haben. Die Kläger begehren mit ihren jeweiligen Klagen insbesondere die Unterlassung von Äußerungen in dem online von Correctiv am 10. Januar 2024 veröffentlichten Artikel unter der Überschrift "Geheimplan gegen Deutschland", der sich mit dem sog. Potsdamer-Treffen am 25. November 2023 befasst. Mörig ist Initiator dieses Treffens, Vosgerau Jurist.

Der Artikel zog ein großes Echo in den Medien, der Politik und der Zivilgesellschaft nach sich. Viele Medien griffen die Berichterstattung der Beklagten auf. Gegen mehrere Berichterstattungen Dritter erwirkte Vosgerau einstweilige Verfügungen. Anfang Februar 2024 wandte sich Vosgerau wegen verschiedener Äußerungen in dem streitgegenständlichen Artikel in einem einstweiligen Verfügungsverfahren auch gegen Correctiv selbst. Die Pressekammer erließ mit Beschluss vom 26. Februar 2024 (Az. 324 O 61/24, vgl. hierzu unsere als Anlage beigefügte Pressemitteilung vom 27. Februar 2024) eine einstweilige Verfügung bezüglich der Wiedergabe von Äußerungen Vosgeraus in Bezug auf Wahlprüfungsbeschwerden, im Übrigen wies die Kammer den Antrag zurück. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde Vosgeraus wies das Hanseatische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 26. Marz 2024 (Az. 7 W 34/24) zurück.

Im Dezember 2024 ließen Vosgerau und Mörig die Beklagten abmahnen. In dem jeweiligen Schreiben wurde ausgeführt, dass die Rezeption des streitgegenständlichen Artikels durch Dritte zu der Erkenntnis geführt habe, dass nunmehr doch davon auszugehen sei, dass die Grenze einer noch zulässigen Meinungsäußerung zur unzulässigen Erweckung eines falschen Eindrucks bzw. falschen Tatsachenbehauptung überschritten sei. Die Kläger hätten sich daher entschieden, die Kernaussage der Berichterstattung anzugreifen. Die Beklagten wiesen die Abmahnungen zurück.

Die Entscheidungen des Landgerichts Hamburg

Die Pressekammer des Landgerichts Hamburg hat die Klagen abgewiesen. Vosgerau und Mörig stehe hinsichtlich keiner der angegriffenen Äußerungen ein Unterlassungsanspruch zu.

Die Kammer stellte heraus, dass ein Leser, der den streitgegenständlichen Artikel lese, in sehr detaillierter Weise erfahre, was auf dem Treffen gesagt worden sei. In den Passagen, die sich mit dem Vortrag Sellners befassten, werde Sellner einleitend in indirekter Rede, sodann auch in direkter Rede wiedergegeben: "Sellner ergreift das Wort (…) Es gebe drei Zielgruppen der Migration, die Deutschland verlassen sollten. (…) Er zählt auf, wen er meint: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht - und ‚nicht assimilierte Staatsbürger'. Letztere seien aus seiner Sicht das größte ‚Problem'." Aus dieser Schilderung werde deutlich, dass sich Sellner in seinem Vortrag nicht allein mit in Deutschland lebenden Ausländern befasst habe, sondern auch mit Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Im weiteren Verlauf des Artikels würden Wortmeldungen von Teilnehmern auf den Vortrag Sellners wiedergegeben. Vor dem Hintergrund dieser detaillierten Wiedergabe des Gesprächsverlaufs, mit einer Vielzahl wörtlicher Zitate und der Verwendung indirekter Rede, würden Leser erkennen, dass andere Passagen des Artikels wertende Zusammenfassungen oder Kommentierungen des Geschehens darstellten.

Gerade aufgrund des aus dem streitgegenständlichen Artikel für Leser erkennbaren Kontrasts zwischen der jeweils als wortgetreues Zitat gekennzeichneten Wiedergabe bestimmter Äußerungen von Teilnehmern im Gegensatz zu anderen Beschreibungen und Umschreibungen des "Plans", der erörtert worden sei, würden Leser nicht zu dem Verständnis gelangen, dass Sellner oder ein anderer Teilnehmer wörtlich von "Vertreibung" oder einer "Ausweisung" von deutschen Staatsbürgern gesprochen habe, oder dass wörtlich gesagt worden sei, dass auch deutsche Staatsbürger aus Deutschland "verdrängt" werden sollten.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass hinsichtlich der Berichterstattungen anderer Medien, die sich damit befassten, was auf dem Treffen besprochen worden sei, vergleichbare Äußerungen durch die Kammer bzw. das Hanseatische Oberlandesgericht als Tatsachenbehauptungen eingeordnet und mangels Glaubhaftmachung der Wahrheit untersagt worden seien. Der maßgebliche Unterschied zwischen der vorliegenden und den anderen angegriffenen Berichterstattungen liege darin, dass Leser der streitgegenständlichen Berichterstattung aufgrund der detaillierten Schilderung des Geschehens und der zahlreichen Wiedergabe dessen, was wörtlich gesagt worden sei, zwischen der Wiedergabe des Gesprochenen und der bewertenden Umschreibung des Geschehens differenzieren könnten. Dies sei in den anderen Berichterstattungen, die sich in erheblich knapperer Weise damit befassten, was Gegenstand des Treffens gewesen sei, gerade nicht möglich gewesen.

Auch sei die Äußerung, wonach Inhalt des "Masterplans" die Ausweisung von deutschen Staatsbürgern gewesen sei, zulässig. In dieser Äußerung würden sich wertende und tatsächliche Bestandteile vermengen. Die Kammer stellte heraus, dass im Rahmen der Abwägung einzustellen sei, dass ein erhebliches öffentliches Interesse daran bestehe, zu erfahren, was auf einem nicht öffentlichen Treffen, an dem auch Politiker teilgenommen haben, in Bezug auf "nicht-assimilierte" deutsche Staatsbürger diskutiert worden sei. Insoweit handele es sich um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Die tatsächlichen Bestandteile dieser Äußerung seien wahr. Wenn Sellner auf die Frage einer Teilnehmerin zur Schwierigkeit einer Remigration von Menschen mit deutschem Pass ausführt, dass auf Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft unter Anwendung von Gesetzen ein "hoher Anpassungsdruck" ausgeübt werden könne - was von Vosgerau und Mörig nicht bestritten worden sei - dürfe dies, so die Kammer, in zulässiger Weise so bezeichnet werden, dass es um eine "Ausweisung" deutscher Staatsbürger gegangen sei, nämlich um eine staatliche Maßnahme, die auf die Beendigung des Aufenthalts einer Person in einem Land abzielt.

Ebenso wenig stehe Vosgerau und Mörig hinsichtlich der weiteren angegriffenen Äußerungen ein Unterlassungsanspruch zu. Denn bei Lesern entstehe ein durchaus differenziertes Verständnis darüber, was zum einen von Teilnehmern des Treffens konkret geäußert worden sei und was zum anderen eine verdichtete, zusammenfassende Wertung der Beklagten sei. Die Kammer verweist hier insbesondere auch auf ihre vorangegangene Eilentscheidung vom 26. Februar 2024 (Az.: 324 O 61/24), mit der sie einen Antrag Vosgeraus auf Untersagung der Äußerung "an die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können" zurückgewiesen hatte und die hierzu ergangene Beschwerdeentscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 26. März 2024 (Az.: 7 W 34/34).

Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Angaben zum Gericht:

  • Gericht:Landgericht Hamburg
  • Entscheidungsart:Urteil
  • Datum:19.12.2025
  • Aktenzeichen:324 O 6/25 und 324 O 7/25

Quelle:Landgericht Hamburg, ra-online (pm/pt)

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